Wir begehen gerade kollektiven Selbstmord - Was sind die Gründe?

Tagesthemen 12. Mai 2025: Nur etwa jeder zweite Bundesbürger erachtet Klimaschutz derzeit noch als sehr wichtig. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Umweltbundesamtes. In den Jahren 2018 und 2020 hatten noch zwei von drei Befragten Klimaschutz als sehr wichtig eingestuft. Laut der Studie seien mittlerweile andere Themen wie eine „gute Gesundheitsversorgung für viele Menschen wichtiger als der Klimaschutz“ (als könnte es das eine ohne das andere geben). Klar Gesundheit ist hier und jetzt wichtig, und die Auswirkungen der Klimakatastrophe werden erst übermorgen so richtig spürbar – also irgendwann. "Und wer weiß, ob es überhaupt gerade hier bei uns sooo schlimm wird."

Ja klar, der Effekt des Verschleißes spielt auch eine große Rolle. Begriffe wie "heißester Sommer" nutzen sich ab. Schließlich schmelzen die Gletscher ja nicht in unseren Vorgärten und es passiert auch (noch) nicht jede Woche ein neues Ahrtal. Noch lässt es sich also relativ gemütlich leben mit dem Klimawandel.

 

Das liegt auch ein ganzes Stück weit daran, dass vielen die existenzielle Konsequenz der Irreversibilität der Klimakatastrophe nicht bewusst ist. Viele können überdies die exponentielle Beschaffenheit der Kipppunkte nicht richtig einschätzen. Das menschliche Gehirn hat generell ein Problem mit Exponentialität.  Zum anderen resultiert unsere Resignation aber auch aus einer gefühlten enormen Machtlosigkeit: "Was kann ich als Einzelner schon tun bei diesem gigantischen Problem?" Zur Wahrheit gehört aber auch: Das Tun oder Unterlassen des Einzelnen hat quasi keine Auswirkung auf das große Ganze. Perspektivlosigkeit macht sich breit - mangels ausreichender und niedrigschwellig verfügbarer Konsum- und Mobilitätsalternativen. Politik und Medien tun ihr Übriges. Sie schweigen derzeit das Thema der sich dramatisch zuspitzenden Klimakrise weitestgehend tot.

 

Ein Gamechanger muss her, der in der gleichen Größenordnung skaliert wie das Problem selbst:

  • der die Selbstwirksamkeit der Bürger stärkt, indem er bewirkt, dass sich die Industrie – intrinsisch motiviert - erheblich schneller defossilisiert und uns Konsumenten ausreichend klimafreundliche Konsum- und Mobilitätsalternativen zur Verfügung stellt.
  • der die Politik davon entbindet, kleinteilige und oft unpopuläre ordnungsrechtliche Maßnahmen verhängen zu müssen. Weil er die Marktmacht der großen Anzahl von Millionen Konsumenten nutzt.
  • der die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie berücksichtigt, weil er ohne zusätzliche Verteuerungen funktioniert und einkommensschwächere Haushalte deswegen nicht überproportional belastet.
  • der nach marktwirtschaftlichen Mechanismen automatisch die Technologien hervorbringt, die mit dem geringsten Aufwand und den niedrigsten Kosten die meiste Emissionsreduktion bewirken - ganz ohne der Erfordernis staatlicher Intervention.

➡️ Ein Gamechanger, der sowohl politisch mehrheitsfähig als auch gesellschaftlich akzeptiert wäre!

 

 

Was sind die systembedingten und persönlichen Gründe für unser unzureichendes Handeln angesichts der Krise?

 

» Wer will,

dass die Welt so bleibt wie sie ist,

der will nicht, dass sie bleibt. «

                                                     – Erich Fried 

 

Die Klimakrise zählt zu den größten Herausforderungen, die wir weltweit zu bewältigen haben. Er ist ein Problem der Gegenwart und der Zukunft. Die globalen Auswirkungen sind bereits heute nicht mehr zu übersehen. Dringend notwendige Bemühungen zur Reduktion der Treibhausgase rücken jedoch fortwährend in den Hintergrund – weil immer wieder ein neues, drängenderes Problem zu lösen ist, wie z. B. die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg oder die Bekämpfung der Inflation. Das menschliche Gehirn ist darüber hinaus sehr gut darin, unangenehme Themen auszublenden, auch wenn ein solches Verhalten irrational ist. Dass die Menschheit aussterben kann, ist für viele eine Gefahr, die trotz der Klimakrise nicht besonders real und schon gar nicht akut erscheint. Die Gegenwart wirkt erschreckend genug. Der Effekt der Abnutzungspielt ebenfalls eine Rolle. Wir sind der immer neuen oder wiederkehrenden Katastrophenmeldungen müde. Dies führt zu einer Gewöhnung, auch an die größten Übel unserer Zeit. Denn Superlative nutzen sich ab. Wer ständig mit Begriffen wie »Katastrophe«, »Jahrhunderthochwasser« oder »heißester Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen« bombardiert wird, der hört irgendwann nicht mehr zu. Man ist gesättigt. Darüber hinaus ist die Klimakrise oft der weiße Elefant im Raum, den niemand sehen will. Vom Wegschauen hat sich aber noch selten ein Problem gelöst. Denn die Krise ist die zentrale Bedrohung des künftigen Wohlstands. Dennoch wird ihr immer noch nicht die erforderliche Aufmerksamkeit zuteil.

 

 

»Ja klar, Klimaschutz ist wichtig, aber wir haben doch wohl gerade drängendere Probleme!«

 Natürlich ist dieses Problem bei weitem nicht das einzige wichtige Top-Thema, aber es beeinflusst und verschlimmert viele andere im kausalen Zusammenhang. Wir verstehen immer mehr das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen von Klimaveränderungen und anderen Bereichen, wie etwa der Biodiversität, der Nahrungsmittelproduktion oder auch der Ökonomie. Wenn die Wirtschaft unter den Folgen des Klimawandels leidet, hier in Deutschland oder weltweit, dann werden heute übliche Diskussionen über den Finanzhaushalt nur noch eine Fußnote sein. Bereits heute verursachen die notwendigen Reparaturleistungen der vielfältigen Folgen des Klimawandels ökonomische Schäden in Milliardenhöhe.

 

»Delay is the new denial«, könnte man unterstellen, doch die Erderwärmung duldet keinen Aufschub. »Morgen morgen nur nicht heute« – das Resultat unserer gegenwärtigen Handlungsstarre, begründet aus der Angst vor Verlust von Status und Privilegien heute, wird rücksichtslos morgigen Generationen aufgebürdet.

 

Die Vorstellung, dass wir bloß darauf zu warten brauchen, bis der Markt die richtigen Technologien zur Lösung der Erderwärmung entwickelt, und die uns dann zeitnah retten, das ist Wunschdenken. Neue Techniken tauchen nicht einfach aus dem Nichts auf und vermögen dann zeitgerecht unsere Probleme zu lösen. Die Geschichte stützt diese Annahme in keiner Weise. In der Klimafrage also allein auf Rettung durch den innovativen Markt zu setzen, ist eine neue Form der Leugnung. Wenn es darum geht, eine möglichst wirkungsvolle Strategie zur Bewältigung der globalen Klimakrise zu entwickeln, sollte es der unmittelbar erste Schritt sein, die evidente Realität zu analysieren, die zum gegenwärtigen Desaster geführt hat. Dabei ist es wichtig, emotionslos, objektiv und ehrlich hinzuschauen, was die verschiedenen Gründe sind, weswegen wir, wider besseres Wissen, immer noch auf die Wand zufahren, und statt energisch zu bremsen, sogar noch weiter beschleunigen. Denn wir alle kennen die Ursachen der Erderwärmung, und den kausalen Zusammenhang zu unserem Konsum, zu einem beträchtlichen Teil. Es ist daher essentiell zu verstehen, wie wir in diese missliche Lage geraten sind, in der wir uns heute befinden. Geschichte kann in diesem Fall ein hilfreiches Mittel zur Diagnose sein und Hinweise liefern, um das Problem in der Gegenwart, im Interesse einer besseren Zukunft, zu beheben. Dazu müssen wir analysieren, wie es entstanden ist und warum wir als Gesellschaft so schwach reagiert haben auf die Informationen, die uns die Wissenschaftler seit langem geben. Denn dass es den Treibhauseffekt mit all seinen problematischen Auswirkungen gibt, ist hinlänglich bekannt. Dass wir aber heute noch so viel mehr über das Problem wissen, und dennoch so wenig dagegen unternehmen, ist fatal.

 

 

Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe!

Wir Bürger sehen oftmals die Politik in der Verantwortung, den Klimawandel rechtzeitig zu managen, und die Pflicht auf Seite der Industrie, ihre Emissionen zu senken. Diese Denke ist leicht nachzuvollziehen, denn schließlich kommen aus deren Schornsteinen, in erheblichem Maße, die klimaschädlichen Emissionen. Und unsere gewählten Volksvertreter werden sich doch wohl gewiss ihres Mandats bewusst sein, und durch weitsichtige und wirkungsvolle Gesetze, insbesondere auch im Sinne künftiger Generationen, einen für uns alle bewohnbaren Planeten garantieren – so meint man. Diese Sichtweisen greifen allerdings leider viel zu kurz, denn sie übersehen entscheidende systemische und menschliche Faktoren, die dem entgegenstehen. Denn zum einen produziert die Industrie nicht zu ihrem Selbstzweck, sondern letztendlich und ausschließlich für unser aller Konsum. Und weiterhin ist ihr vorrangiges Interesse Wachstum und Profit, und nicht Klimaschutz. Zum anderen sollte uns aber auch bewusst sein, dass Politik vorwiegend in Legislaturperioden und parteipolitischem Kalkül denkt und daher auf Massenzustimmung aus ist, um den Machterhalt bei der nächsten Wahl sicherzustellen, was wiederum zu einem entscheidenden Teil auch von einer florierenden Wirtschaft abhängt. Ein Teufelskreis aus der Verflechtung unterschiedlicher Zielkonflikte, zwischen ökologischem Bewusstsein und ökonomischen Zwängen, der Diffusion von Verantwortung, und ein Zwiespalt zwischen Eigennutz und Moral. Denn was für die Allgemeinheit einen Nutzen stiftet, ist für uns selbst oft mit persönlichen Einschränkungen verbunden, die wir aber leider oft nicht bereit sind in Kauf zu nehmen.

 

» Klimaschutz 

darf deshalb nicht der Freiwilligkeit des Einzelnen,

der Industrie, oder den Regierungen von Staaten 

überlassen werden. «

  

Stattdessen brauchen wir ein wirkungsvolles Klimakonzept, welches das Steuerungspotential und die Verantwortung für Klimaschutz KOMPLETT in die Hände ALLER Konsumenten legt.

 

 

Systembedingte Gründe seitens der Wirtschaft

Das primäre Ziel der Industrie ist Wachstum und Profit, nicht Klimaschutz. Schließlich bewegt man sich in der Regel innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen und ein Umbau der Produktion, hin zu klimafreundlichen Prozessen, bedeutet zunächst Investitionen, die die Wettbewerbsfähigkeit beeinflussen – auch im internationalen Kontext. Zwar ist man durchaus an einem umweltfreundlichen Image interessiert, allerdings bleibt offen, inwieweit die Konsumenten gewillt sind, dafür auch mehr zu bezahlen. Die Hersteller befürchten, dass ihre Kunden kaum bereit sind, für echte CO2-freie Produkte und ein gutes Gewissen, auch einen höheren Preis zu akzeptieren. Darüber hinaus hat Europas Industrie Sorge, mit den Herstellern z. B. aus China und den USA, die weniger strenge Auflagen befolgen müssen, preislich nicht mithalten zu können. Folglich sieht die Industrie kaum Veranlassung sich aus eigenem Antrieb zu transformieren. Sie produziert das, was sie verkaufen kann, entsprechend unser aller Nachfrage. Nicht anders verhält es sich übrigens auch für im Ausland (z. B. China, …) produzierte Waren. Kurzsichtiges Streben nach Wirtschaftlichkeit, steht allzu oft vor dem Schutz der Umwelt. Dies entspricht den Spielregeln des Kapitalismus und der nahezu freien Marktwirtschaft. Eine rasche Abkehr vom fossilen Wirtschaftsmodell ist aber unerlässlich. Hier ist, systembedingt, allerdings wenig Engagement in Richtung freiwilliger Klimaschutzmaßnahmen zu erwarten, auch wenn der Klimawandel im Bewusstsein der meisten Unternehmen angekommen sein mag. Dabei ist allein der Industriesektor der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgas-Emission in Deutschland. Im jetzigen System sind die Firmen, die auf klimaschützende Maßnahmen setzen, im Nachteil. Der Markt ist an dieser Stelle verzerrt, weil die wahren Umweltkosten nicht mit abgebildet werden. Anders gesagt: Klimaschutz hängt vor allem von der freiwilligen Bereitschaft der jeweiligen Firmenleitung ab.

 

 

Systembedingte Gründe seitens der Politik

Die Weltgemeinschaft mag vielleicht klare Vorstellungen vom Management der Klimakrise haben, aber die einzelnen Staatenlenker werden die Lage zwangsläufig aus ihrer eigenen, nationalen Sicht bewerten. Zudem ist das primäre Ziel der Politik Machterhalt und Wiederwahl. Dies ist der speziellen Architektur unseres demokratischen Systemdesigns geschuldet. Sie ist ferner massiv von einer gut funktionierenden Wirtschaft abhängig, die allerdings keine zusätzlichen Aufwände für Klimaschutz will. Denn solche Investitionen verteuern, zumindest anfänglich, inländische Produkte und reduzieren somit zunächst die Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt. Dies macht es zudem sehr schwierig, zukunftsweisende, globale Entscheidungen zeitgerecht umzusetzen.

Zusammenfassend kann man sagen: Politik ist in Sachzwängen verhaftet und supportet vornehmlich ihre wirkmächtige Klientel.

Diese systemimmanente Verflechtung aus Wirtschaft und Politik, konterkariert ihren eigentlichen Auftrag, zum Wohle aller Menschen zu agieren. Ein Teufelskreis, der sinnvolles vorausschauendes Handeln, auch im Interesse zukünftiger Generationen, zumindest erschwert.

 

 

Gründe seitens der Förderunternehmen

Die Förderunternehmen von Kohle, Öl und Gas haben natürlich erst recht kein Interesse an wirksamem Klimaschutz, denn fossile Primärenergieträger sind ihr Kapital. Das wäre in etwa so, als würde man in Anbetracht der Armut in der Welt verlangen, dass die Reichen ihrer Verantwortung gerecht werden und ihr Vermögen bitteschön auf freiwilliger Basis teilen mögen.

 

Das wird nicht passieren.

 

 

Persönliche Gründe für unzureichendes Handeln

Auch wir Bürger haben oft unsere ganz eigenen, individuellen und durchaus nachvollziehbaren Gründe für unser Nichthandeln. Vermutlich gibt es eine ganze Reihe Menschen, denen ist Klimaschutz einfach egal. Ein großer Teil hingegen wird wahrscheinlich die Wichtigkeit und die Dringlichkeit des Problems erkannt haben, ist aber aufgrund verschiedener Motive nicht bereit, auch entsprechend zu handeln. Denn wenn die Lösung bedeutet, dass damit persönliche Einschränkungen verbunden sind, reduziert sich die Bereitschaft zur Mitwirkung, auch innerhalb dieser Gruppe, signifikant. Und nur ein ganz kleiner Personenkreis hat sowohl das erforderliche Problembewusstsein, und akzeptiert deshalb auch persönliche Einschränkungen – ein Zielkonflikt divergierender Interessen.

 

Was sind die Ursachen unseres zögerlichen Handelns?

 

  • Partikularinteressen, Egoismus, mangelndes Engagement und fehlende Solidarität

Viele sind bereit etwas zu tun, … aber nicht zu lassen. Etliche Menschen sind gerne bereit, für den Klimaschutz aktiv zu werden, aber wir wollen auf nichts verzichten müssen. Unser natürlicher, evolutionär wahrscheinlich oft sinnvoller Egoismus im Kampf ums tägliche Überleben ist dafür verantwortlich. Dieser frühere Vorteil des mehr oder minder stark ausgeprägten Eigennutzes verkehrt sich allerdings gerade ins Gegenteil. Denn daraus resultiert heute oft ein mangelhaftes Sozialverhalten – trotz besseren Wissens. Sicherlich ist vielen der Handlungsdruck bewusst, aber sobald die persönliche Komfortzone betroffen ist, ist es mit der Neigung mitzuwirken schnell vorbei. Alle Appelle an die Menschen, klimaschonender zu konsumieren, werden nicht ausreichen. So lobenswert vereinzelter, freiwilliger, Individualverzicht auch sein mag, es wird aus oben genannten Gründen, und aus Gründen mangelnder Konsumalternativen für die Bürger, bei weitem nicht genug sein. Darüber hinaus reduziert sich die Motivation, den eigenen Ressourcenverbrauch zu minimieren, erfahrungsgemäß auch mit steigendem Einkommen.

 

 

  • Resignation und Hilflosigkeit

Verständlicherweise spielen auch eine gewisse Resignation vor der Größe des Problems und Hilflosigkeit vor der Dimension der Aufgabe eine wichtige Rolle: »Was kann ich als Einzelner da schon groß bewirken?« Dieses Gefühl der Machtlosigkeit treibt viele Menschen in einen resignierenden Fatalismus à la »… also mache ich einfach so weiter.« Das ist durchaus verständlich, denn der Einfluss freiwilliger Handlungen Einzelner ist verschwindend gering und im Gesamtergebnis nicht erkennbar. Es ist eine Fehleinschätzung, und häufig gebrauchte Falschdarstellung der Dinge, dass angeblich »jedes kleine Bisschen« zählt. Leider ist dies eine Illusion. Richtig ist, dass lediglich die Summe all dieser kleinen Bisschen einen Unterschied macht. Was nur Sie oder wir tun oder lassen, ist vollkommen unerheblich, solange nicht die große Masse mitmacht.

 

” Deshalb müssen wir zu einem System wechseln,

das wirklich jeden von uns,

mit seinem kompletten Konsum,

zum Teil der Gesamtsumme werden lässt.“

 

Auch Berichte darüber, dass die globale Erwärmung bereits die 1,5-Grad-Marke überschritten hat, und somit das politische Hauptziel zunehmend aussichtslos scheint, tun ihr Übriges zur fatalistischen Lähmung innerhalb der Bevölkerung. Der Fokus der Debatte wird sich also künftig auf viel höhere Temperaturen richten, was dann eventuell zu einer »Alles-egal«-Mentalität führt, wodurch die mühsam erkämpften Fortschritte bei der Reduzierung von Treibhausgasen, komplett in sich zusammenbrechen könnten.

 

  • Selbstgerechtigkeit

Nicht zu unterschätzen ist unser Hang zur Selbstgerechtigkeit: »Sollen doch erstmal die Anderen damit anfangen, sich einzuschränken. Deren Konsumverhalten ist doch viel klimaschädlicher als meines.« Mit den Anderen kann der Nachbar gemeint sein, der ein größeres Auto fährt, oder öfter in Urlaub fliegt. Oder es könnte die Industrie gemeint sein, mit ihren immensen Emissionen. »In China geht jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz, dann kann ich auch in Urlaub fliegen«, usw. Mangelnde Bereitschaft zu gemeinschaftlichem Denken zeigt sich auch in anderen Bereichen. Wer akzeptiert schon gerne einen Mobilfunkmast auf dem eigenen Dach, obwohl die meisten selbst ein Handy haben? Oder wer würde widerstandslos akzeptieren, wenn ein neuer Flughafen in der Nähe geplant wäre? Und dies auch dann nicht, obwohl man selbst vielleicht gerne in den Urlaub fliegt. Nicht viel anders verhält es sich bei einem Windrad in der unmittelbaren Nachbarschaft. Auch dann formieren sich schnell Bürgerinitiativen, obwohl wirklich jeder abhängig von Elektrizität ist, und viele Bürger prinzipiell positiv gegenüber grüner Energie eingestellt sind und deren Sinnhaftigkeit im Kampf gegen den Klimawandel generell anerkennen. Verzicht ist ein emotionales Thema.

 

  • Unzureichende Handlungsoptionen

Trotz all der vielfältigen Motive für unser unzureichendes Handeln wider besseres Wissen muss man aber auch anerkennen, dass es uns Verbrauchern – in erheblichem Maße – an niederschwelligen, realistischen Handlungs- bzw. Konsumoptionen mangelt, die uns prosoziale Entscheidungen erleichtern würden. Beispielsweise haben Mieter kaum Einfluss auf eine energetische Sanierung ihrer Wohnung. Und aufgrund mangelnden Angebots öffentlicher Verkehrsmittel ist man gerade in ländlichen Gegenden auf den PKW angewiesen. Weiterhin fehlt es an Lade-Infrastruktur für E-Mobilität und es ist kaum möglich, Verpackungsmüll in relevanter Menge zu vermeiden. Sicherlich fallen Ihnen noch etliche weitere Beispiele dazu ein.

Doch weder Verteuerung noch Verzicht schaffen letztendlich die notwendigen Handlungsalternativen für unseren Konsum. Auch ordnungsrechtliche Maßnahmen oder Anreizsysteme stoßen schnell an ihre Grenzen, da deren Umsetzung und Kontrolle mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden ist.

 

  • Diffusion von Verantwortung

Auch die Diffusion von Verantwortung spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung des Einzelnen, sich entweder prosozial und der Krise entsprechend sinnvoll zu verhalten, oder es sich inmitten der großen Herde moralisch gemütlich einzurichten bzw. sich hinter den Anweisungen von »Entscheidungsträgern« zu verstecken. Die Diffusion von Verantwortung ist typisch für moderne, arbeitsteilige Gesellschaften. Signifikantes Beispiel: Der Dieselskandal in der Autoindustrie. Der Betrug war offenkundig, doch dafür verantwortlich sein wollte keiner. Solch ein Verhalten ist typisch für Gruppen- und Kollektiventscheidungen. Am Ende ist nicht klar, wer die Zuständigkeit hatte und das führt oft dazu, dass die Moral, wie in einer langen Leitung, irgendwo zwischen den verschiedenen Spielern versickert und sich am Ende alle fragen, wie das eigentlich passieren konnte.

 

  • Eine unbequeme Wahrheit

In der Realität wirkt sich dieses Denken in vielen Situationen aus. Etwa beim Kleiderkauf. »Wenn ich das billige T-Shirt nicht kaufe, dann tut es ein anderer. « Mit diesem Argument ist man fein raus und muss keinen Gedanken verschwenden an unmenschliche Produktionsbedingungen bzw. deren oft verheerende Folgen für die Umwelt. Im gesellschaftlichen Kontext gilt:

 

»Wenn die anderen es tun, habe ich die Erlaubnis, das auch zu tun.«

 

Diese Diffusion der Verantwortung findet sowohl im Großen, auf Ebene von Staaten, Unternehmen und Institutionen, als auch im Kleinen, auf persönlicher Ebene, statt. Im Kontext Klimawandel muss dieser Effekt unbedingt vermieden werden. Wir müssen das Problem auf systemischer Ebene angehen, indem wir ein gerechtes Leitplankensystem designen, innerhalb dessen wir zuverlässig die planetaren Grenzen einhalten. Trotz all der vielfältigen Motivationen für unser zögerliches Handeln angesichts der Krise sollte es beim Thema Klimaschutz dennoch niemals um Schuld gehen. Schuld im Sinne von »Dein Konsum ist schlimmer als mein Konsum«. Es soll sich niemand angegriffen fühlen. Denn solches »finger-pointing« führt zu nichts, außer zur unvermeidlichen Spaltung unserer Gesellschaft. Denn wir leben alle innerhalb dieses Systemdesigns, das den gegenwärtigen Zustand unserer Umwelt ermöglichte. Deshalb müssen wir als Gesellschaft auch wieder gemeinsam aus der Krise herausfinden, und zwar ohne jemanden dabei abzuhängen.

 

 

Mit den gängigen Werkzeugen EU-ETS und CO2-Steuer werden wir das Klimaziel vermutlich verfehlen.

Denn weder Verteuerung noch Verzicht bewirken ausreichend klimafreundlich produzierte Güter. Zudem werden die Aufpreise von vielen zurecht als unsozial empfunden, weil sie einkommensschwächere Haushalte überproportional belasten.

Was wir jetzt dringend brauchen, um die Klimakrise schnell und effektiv zu lösen, ist ein System

  • welches klimaschädliche Treibhausgase zugleich wirkungsvoll und gerecht budgetiert und abrechnet
  • innerhalb dessen der Einzelne frei über sein Konsumverhalten entscheiden kann, allerdings innerhalb klar gesteckter Grenzen für alle
  • welches ein punktgenaues und flexibles Erreichen des Klimaziels garantiert
  • dabei administrativ relativ unaufwändig ist und darüber hinaus zur Reduktion der Ungleichheit beiträgt

 

Ein systemischer Ansatz, der die Macht und die Verantwortung für Klimaschutz KOMPLETT in die Hände ALLER Verbraucher legt.

 

Mehr dazu, wie solch ein Lösungsansatz aussehen könnte, der eine soziökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft einleiten könnte: www.saveclimate.earth

 

 

 

Dies ist ein Beitrag des Blogs ECOlogisch der Klimaschutz NPO Saveclimate.Earth - Organisation für nachhaltige Ökonomie.