EU Green Deal - der "man on the moon moment"?

... oder haben wir das mit dem Mond vielleicht einfach nur falsch verstanden

 

Die EU hat in den vergangenen Jahren ehrgeizige Gesetze beschlossen, um Europa bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu machen, dass also nicht mehr klimaschädliche Gase ausgestoßen werden, als durch Aufforstung oder CO2-Speicherung eingespart werden. Noch im letzten Jahr votierten die Abgeordneten in Straßburg unter anderem für eine Verschärfung des Emissionshandels. Dieser gilt als das wichtigste Instrument des europäischen Klimaschutzprogramms. Doch ist das wirklich so? Können diese Instrumente wirklich den vollmundig versprochenen „man on the moon moment“ bewirken, oder ist der Green Deal bereits gescheitert, und wir merken es bloß noch nicht?

 

 

Ausweitung EU-ETS

Was haben wir bisher nicht schon alles für die Zukunft beschlossen und beschließen immer noch. Da ist zum Beispiel die Ausweitung des CO2-Handels auf Gebäude und Verkehr ab 2027. Oder auch die Reduzierung der Anzahl der (immer noch in erheblichem Ausmaß) kostenlos ausgegebenen Emissionszertifikate. Diese sollen für Firmen bis 2034 schrittweise auslaufen. Um benachteiligten Verbrauchern sowie Unternehmen zu helfen, sieht die EU zudem einen milliardenschweren Klimasozialfonds vor. Finanzierung? Schwierig!

 

Klimazoll

Darüber hinaus soll 2027 in der EU eine Art Klimazoll für Drittländer eingeführt werden, der sogenannte Kohlendioxid-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), der ab 2034 vollständig gelten soll. So müssen künftig auch Produzenten im Ausland für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen – so die Theorie.

 

Eine Analyse der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen

zeigt allerdings, dass die bisher in ihrer Gesamtheit geplanten Maßnahmen

global gerade einmal 2,6 Prozent Treibhausgase einsparen würden.

 

Das würde also nur einen Bruchteil der dringend nötigen Reduktion bedeuten. Im Moment nähern wir uns 2,6 bis 3,1 Grad Temperaturerhöhung!

 

Es fehlt der politische Wille – weltweit!

Dass der politische Wille für einen schnellen und wirkungsvollen Kurswechsel bei der Gesetzgebung da ist, bezweifelt auch das New Climate Institute in Deutschland. Und nicht nur hierzulande. Auch bei der US-Wahl hat das Klima kaum eine Rolle gespielt, trotz der zweithöchsten Emissionen weltweit. Der Sieg Donald Trumps dürfte nicht gerade dazu beitragen, dass die Klimakrise dort mit der nötigen Priorität behandelt wird. Es wird erwartet, dass Trump Gelder streichen und wahrscheinlich auch aus dem Pariser Abkommen sowie der ganzen Klimarahmenkonvention aussteigen wird.

Wir erleben gerade einen populistischen Backlash gegen Klimapolitik, mit absurden Kampagnen gegen die notwendigen Lösungen wie Elektroautos, Wärmepumpen und Windkraft.

 

Wie sieht es jetzt mit dem Klimaschutz bei uns in der EU aus? 

Die Europäische Union hat sich ehrgeizige Klimaschutz-Ziele gesteckt. Doch die schlechte Wirtschaftslage und das Ergebnis der Europawahl machen es schwer sie durchzusetzen. Gilt der Green Deal überhaupt noch? 2024 war nach Auffassung von Klimaforschern das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen und das erste, in dem die weltweite Durchschnittstemperatur gegenüber der vorindustriellen Zeit um mehr als 1,5 Grad gestiegen ist. Eigentlich wollte die Weltgemeinschaft die Erderwärmung auf diesen Wert begrenzen. Dazu hatte sie sich 2015 in der Klimavereinbarung von Paris verpflichtet. 

 

Aber bei der Europawahl Anfang Juni haben wir Wähler jene Parteien gestärkt, die den Green Deal, also das Vorhaben Europas Wirtschaft und Gesellschaft nachhaltig umzubauen, kritisch sehen oder sogar ablehnen. Die größte Fraktion im EU-Parlament , die Christdemokraten, wollen mehr Rücksicht auf die Wirtschaft nehmen. Die EVP, in der auch die Europaabgeordneten von CDU und CSU sitzen, ist klare Gewinnerin der Europawahl. Ihr Umweltexperte Peter Liese beklagt, dass die EU in der abgelaufenen Wahlperiode zu viele Gesetze verabschiedet und zu sehr auf Regeln und Verbote gesetzt habe. "Dabei haben wir die Möglichkeiten der Wirtschaft, insbesondere der Industrie und Landwirtschaft, aber auch die Möglichkeiten der Menschen nicht ausreichend gesehen." Die EVP hat in den vergangenen Monaten im EU-Parlament Klima- und Umweltgesetze blockiert oder abgeschwächt. 

Was wird aus dem Green Deal?

 

Die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen hatte in ihrer ersten Amtszeit als EU-Kommissionschefin Klimaschutz zu ihrem Hauptanliegen gemacht und den Green Deal mit der Mondlandung verglichen. Mit Blick auf ihr zweites Mandat erklärte sie: "Wir müssen und werden an den Zielen des Green Deal festhalten. Aber wenn wir bei diesem Übergang erfolgreich sein wollen, müssen wir beweglicher sein und die Menschen und Unternehmen auf dem Weg dorthin besser begleiten."

 

Tatsächlich ist die Situation folgende: 

  • Die EVP möchte die angeschlagene Autoindustrie bevorzugt behandeln und den Konzernen Strafen ersparen, wenn sie Klimaziele verfehlen. Bundeskanzler Olaf Scholz schloss sich dieser Forderung beim EU-Gipfel im Dezember 2024 an; seiner Ansicht nach soll die EU-Kommission dafür Wege finden. Hintergrund: 2025 sinken die Flottengrenzwerte, die bestimmen, wie viel Kohlendioxid Neuwagen durchschnittlich höchstens ausstoßen dürfen.
  • Europas Christdemokraten rütteln außerdem grundsätzlich am beschlossenen faktischen Aus für Verbrennungsmotoren bei neuen Fahrzeugen ab 2035. Sie setzen darauf, dass „alternative Kraftstoffe“ klimaneutrales Fahren mit Verbrennungsmotoren ermöglichen. Die Europa-Grünen halten das für einen Irrweg, der Hersteller verunsichere. Ihr klimapolitischer Sprecher Michael Bloss befürchtet: "Die EVP stößt damit den Dominostein an, der am Ende den gesamten Green Deal zu Fall bringen kann."
  • Auch die Debatte darüber, woher das Geld für Europas grünen Wandel kommen soll, wird weitergehen. Dafür braucht es Schätzungen zufolge jährlich Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe. Der Plan, dafür wie in der Corona-Pandemie gemeinsame Schulden aufzunehmen, bleibt heftig umstritten.

 

 

Kurzfristige Steuerungsimpulse statt langfristiger Ziele

Nach dem Motto morgen, morgen nur bloß noch nicht heute haben wir in der Klimadiskussion zu lange in die Zukunft geschaut und ehrgeizige Langfristziele definiert. Das Problem ist doch, dass die globalen Emissionen weiterhin steigen und wir die Trendwende noch gar nicht geschafft haben. Wichtig ist es doch erstmal überhaupt weniger statt jedes Jahr mehr Treibhausgase zu produzieren. Denn kommt die Wende zu spät, kann ein noch so entschlossenes Handeln nicht mehr helfen - so auch der Bericht der UNEP. Jetzt bereitet die EU die nächste Etappe vor: Bis 2040 will sie 90 Prozent weniger Klimagase ausstoßen als 1990 – zumindest auf dem Papier. Doch wie glaubwürdig ist all dies vor dem Hintergrund, dass die EU sogar an afrikanische Staaten wie den Senegal herantritt, um Gas einzukaufen. 

 

Es braucht einen Paradigmenwechsel

Wir müssen aus dieser vertrackten Situation herauskommen, welche die wissenschaftlich geforderte, dringend notwendige Emissionsminderung aus verschiedenen, durchaus nachvollziehbaren Gründen immer weiter prokrastiniert. Es steht alles auf dem Spiel.

 

Das Trilemma der Klimapolitik zwischen Politik, Industrie und uns Bürgern:

  • Für Staaten ist es, in Legislaturperioden gedacht, ökonomisch sinnvoller nicht oder nur zögerlich in Klimaschutz zu investieren, denn dies bedeutet, zumindest kurzfristig, einen Kosten- bzw. Standortvorteil gegenüber anderen Ländern, und somit einen Vorsprung für die eigene Wirtschaft. Für Regierungen ist es daher innenpolitisch zweckmäßig Klimaschutzmaßnahmen nicht zu stark zu forcieren. Zum einen um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Wirtschaft nicht zu gefährden – vor allem im internationalen Kontext. Zum anderen um die Bürger, respektive die Wähler, nicht zu überfordern bzw. zu verlieren. Denn jede Regierung ist auch an Machterhalt und Wiederwahl interessiert, und Klimaschutz ist nur so lange mehrheitsfähig, solange er nicht zu sehr die persönliche Komfortzone der Menschen bzw. deren Portemonnaies betrifft. 
  • Die Industrie hingegen will keine zusätzlichen Regularien bzw. finanzielle Aufwände für die Defossilisierung ihrer Herstellungsprozesse. Einerseits aus Sorge vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und andererseits, weil deren primäres Interesse Wachstum und Profit ist – nicht Klimaschutz.
  • Weiterhin können wir das Klimaziel nur erreichen, wenn unser Konsum weitestgehend klimaneutral produziert wird. Denn Appelle an Einschränkung und Verzicht sind unpopulär. Eine Reduzierung unseres derzeitigen, weitestgehend noch fossil basierten Konsumvolumens auf ein Maß, dass dem völkerrechtlich abgestimmten Emissionsminderungspfad entspräche, ist unrealistisch.

 

Zusammenfassend kann man sagen: 

Wenn Nachhaltigkeit mit Profitinteressen konkurriert, gewinnt immer das Geld.

 

Diesen Teufelskreis aus der Diffusion von Verantwortung, nationalen Interessen und globalen Notwendigkeiten können wir nur durch einen mehrheitsfähigen Paradigmenwechsel durchbrechen, um so endlich der Krise entsprechend handeln zu können. Denn dies ist aus o.g. Gründen im gegenwärtigen, im Wesentlichen auf egoistischem Profitstreben ausgerichteten kapitalistischen System nicht möglich. Die Realität zeigt, die zu verzeichnenden Fortschritte finden viel zu langsam statt.

 

Klimaschutz hat ein Akzeptanzproblem 

Die größte Herausforderung beim Klimaschutz ist und bleibt das Akzeptanzproblem – sowohl auf Seiten der Industrie, als auch bei uns Bürgern. Denn sobald Klimaschutz Geld kostet oder die persönliche Komfortzone der Menschen einschränkt, schwindet die Bereitschaft zur Zustimmung für politische Maßnahmen rapide. Ein wirklich mehrheitsfähiges Konzept muss deshalb in aller erster Linie als gerecht empfunden werden, denn Gerechtigkeit ist eines unserer stärksten Grundbedürfnisse. 

 

An dieser Stelle kommt ein neuer Gedanke ins Spiel: Statt des Zertifikatehandels für die Industrie könnte ein Emissionshandel auf Bürger-Ebene etabliert werden. Persönliche Emissionsbudgets funktionieren als ökologisches Grundeinkommen, das alle Bürger jeden Monat kostenlos und in gleicher Höhe zur Verfügung gestellt bekommen. 

 

Da die Industrie bei diesem Emissionshandel auf Bürgerebene komplett ausgenommen ist, wird die Macht der großen Anzahl von Millionen Konsumenten und deren Steuerungs- bzw. Transformationspotenzial genutzt. Der Wirtschaft bleibt gar nichts anderes übrig als nachzuziehen, und entsprechend der neuen Bedürfnisse und unseres veränderten Konsumverhaltens, sich deutlich schneller zu dekarbonisieren und klimafreundliche Konsum- und Mobilitätsalternativen in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen. Denn die Industrie produziert letztlich das was wir nachfragen, bzw. die Dinge, die wir mit unseren begrenzten Budgets bezahlen können. So passiert die Transformationen unsere Herstellungsprozesse intrinsisch motiviert, statt über unpopuläre ordnungsrechtliche Maßnahmen, die, wenn die Proteste nur groß genug werden, von der Politik meist wieder zurückgenommen, oder bis zur Bedeutungslosigkeit verwässert werden. Einige der aktuelleren Beispiele dafür sind das Gebäudeenergiegesetz, der Versuch Subventionen im Agrarbereich abzubauen, oder ganz aktuell die Proteste der Automobilindustrie aufgrund immer weiter sinkender Flottengrenzwerte. 

 

Daher bleiben, wie so oft, die wissenschaftlich empfohlenen und völkerrechtlich abgestimmten Emissionsminderungsziele auf der Strecke. Doch auf dem Spiel steht nicht weniger als der Klimaschutz im Allgemeinen, und mit ihm letztlich die existenzielle Grundlage unserer gesamten Gesellschaft.

 

Die so dringend notwendige sozio-ökologische Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft könnte durch persönliche Emissionsbudgets möglich werden. Denn sie erfüllen unser Bedürfnis nach Gerechtigkeit und hätten somit die größte Chance mehrheitsfähig zu sein. Dieses Modell setzt die notwendigen ökologischen Rahmenbedingungen zum Einhalten planetarer Grenzen, bei einem Maximum an persönlicher Konsum- Entscheidungsfreiheit. 

 

 

Wie solch ein Emissionshandel auf Bürger-Ebene initial innerhalb der EU umgesetzt werden könnte, beschreibt die gemeinnützige Organisation für nachhaltige Ökonomie SaveClimate.Earth mit ihrer „Exit-Strategie Klimawährung ECO“ (Oekom Verlag).

 

 

Dies ist ein Beitrag des Blogs ECOlogisch der Klimaschutz NPO Saveclimate.Earth - Organisation für nachhaltige Ökonomie.