Klimaschutz sollte eigentlich ein Anliegen der gesamten Weltgemeinschaft sein. Eine vom Volk mandatierte Regierung müsste sich verpflichtet fühlen, stets weitsichtige, für das Gemeinwohl sinnvolle Gesetze zu erlassen – sollte man meinen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Jede demokratisch gewählte Regierung denkt auch parteitaktisch kurzfristig - bestenfalls an Legislaturperioden orientiert und ist primär an Machterhalt und Wiederwahl interessiert. Es werden die momentan dringlichsten Löcher notdürftig gestopft. Darüber hinaus wird man nicht müde, die größte Wählergruppe zu umgarnen bzw. die für den Machterhalt wirkmächtigsten und hilfreichsten Zielgruppen zufriedenzustellen. Deshalb wird keine Regierung gegen ihre eigene Wirtschaft, die stärkste Lobby oder die Portemonnaies ihrer Wähler agieren - siehe Blog-Artikel: it's the economy stupid
Das First Mover Paradoxon
Das sogenannte "First-Mover-Paradoxon" beschreibt ein strukturelles Dilemma internationaler Klimapolitik: Für nationale Regierungen erscheint es kurzfristig oft rationaler, nicht zu den ersten Staaten zu gehören, die in tiefgreifende Emissionsminderungsmaßnahmen und die Defossilisierung ihrer industriellen Wertschöpfung investieren. Denn kurzfristig verteuern diese Transformationskosten zwangsläufig die im Wirtschaftsraum produzierten Güter und schwächen somit zeitweilig die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Industrie ggü. den Produkten der Länder ohne vergleichbare Verpflichtungen bzw. die dies (noch) nicht tun. Länder, die zunächst abwarten oder sich gar aus internationalen Klimaabkommen zurückziehen, profitieren kurzfristig von niedrigeren Produktionskosten und der Verlagerung globaler Klimafolgen auch auf andere. Denn Investitionen in Emissionsminderungsmaßnahmen zeigen leider erst mittelfristig eine positive Kosten-Nutzen Bilanz. Die rein wirtschaftliche Effizienzabwägung fällt daher für frühe Akteure schlechter aus als für Nachzügler, obwohl letztere von technologischen Lerneffekten, Skaleneffekten und politischen Vorleistungen anderer profitieren.
Nicht nur bei der Trump Regierung spielt Klimaschutz deshalb nahezu keine Rolle mehr. Auch unsere eigene Regierung spielt immer wieder Nachhaltigkeit gegen Wirtschafts- und Wettbewerbsinteressen aus. Dieser Trend ist auch innerhalb des EU-Parlamentes und zahlreichen weiteren Staaten der Unwilligen zu beobachten (siehe Blog-Artikel: Wir sollten mehr Demokratie wagen
All dies blendet selbstverständlich die Tatsache aus, dass der Aufschub der Defossilisierung mittelfristig eine extrem schlechte Bilanz aufweist. Denn diese strategische Prokrastination verschärft die Klimakrise global, erhöht spätere Anpassungs- und Schadenskosten massiv und führt dazu, dass die gesamte Weltgemeinschaft – einschließlich der anfänglichen Trittbrettfahrer – am Ende ökonomisch wie ökologisch deutlich schlechter dasteht.
Die Regierungen scheinen jedoch nicht dazu in der Lage zu sein, sich auf eine konzertierte, für das Gemeinwohl sinnvolle Stoßrichtung zu einigen. Dabei geht es auch darum, wieviel Leid wir zukünftigen Generationen zumuten wollen. Wir hätten bisher alle Zeit der Welt gehabt, die Klimakrise zu verhindern und unseren Nachkommen eine intakte Umwelt zu hinterlassen. Auch die Geschichte der deutschen Umweltpolitik ist eine nicht enden wollende Aneinanderreihung verpasster Chancen.
Es gilt wie eh und je: Sobald Nachhaltigkeit mit kurzfristigen Profit- und Wirtschaftsinteressen konkurrieren muss, gewinnt IMMER das schnelle Geld. It's the economy stupid.
Die aktuelle Weltklimapolitik bleibt geprägt von Minimalkonsensen. Dabei entsteht echte Zukunftsfähigkeit nur, wenn Politik und Wirtschaft ihre Entscheidungen konsequent an ökologischen Grenzen ausrichten und gesellschaftlichen Wohlstand neu denken, statt an überholten Wachstumslogiken festzuhalten. Es braucht ein neues Marktsystem gegen die kollektive Verdrängung.
„Nichts ist so beständig wie der Wandel,
aber nichts scheint so schwierig wie die Annahme desselben.“
- Heraklit von Ephesus
Wir wissen, dass die Atmosphäre nur noch ein begrenztes Restbudget zur Aufnahme von Emissionen hat, bevor Tipping Points eintreten, die wir nicht mehr rückgängig machen können. Die bisherigen Werkzeuge, CO2-Bepreisung und Europäischer Emissionshandel wirken jedoch unzureichend. Eine notwendige Verschärfung ist aber weder politisch mehrheitsfähig noch gesellschaftlich akzeptiert. Darüber hinaus sind beide Systeme ineffektiv, intransparent und sozial ungerecht. Weiterhin fokussieren traditionelle Ökonomien stark auf das BIP-Wachstum. Dieses Ziel jedoch ignoriert
- ökologische Folgen
- verschärft Ungleichheit
- fördert „Externalisierung“ von Kosten
- verkennt planetare Kipppunkte.
Wie könnte es besser gehen?
Die Lösung: das Emissionswährungssystem ECO (Earth Carbon Obligation).
Man stelle sich vor, die Atmosphäre wäre ein Konto mit begrenztem Guthaben. Was wir heute machen: Wir überziehen es seit Jahrzehnten. Das ECO-Modell sperrt die destruktive Überziehungsfunktion. Es ist das Wirtschaftsmodell für das 21. Jahrhundert: Eine zweite digitale Währung, ein CO2-Preisschild für jede Ware, jede Dienstleistung, jede Schraube. Es basiert auf einem einfachen Prinzip:
Cap, Personalize & Trade (CPT) – eine Weiterentwicklung des Personal Carbon Trading
Es handelt sich dabei um einen optimierten Emissionshandel auf Bürgerebene. Ein emergentes, personalisiertes, budgetbasiertes Emissionswährungssystem als transformative Alternative zu CO2-Steuern und EU-ETS.
- Cap: Absolute Emissionsobergrenze. Wissenschaft legt fest, wie viele Emissionen wir uns noch leisten können.
- Personalize: Faire individuelle Allokation. Jeder Bürger bekommt kostenlos ein persönliches CO2-Budget in gleicher Höhe. Nicht als Almosen, sondern als Menschenrecht - ein ökologisches Grundeinkommen für alle.
- Trade: Wer mehr will, zahlt. Wer weniger braucht, verdient.
Die Vorteile
Das ECO-Modell setzt direkt an der Quelle an, bei der Förderung von Kohle, Öl und Gas. Deren ökologische Kosten laufen autonom und kompromisslos durch die komplette Wertschöpfungskette. Am Ende steht ein ECO-Preis, der die vollständige Klimawahrheit enthält.
- Kein Unternehmen kann ECO „schönrechnen“.
- Keine Emission bleibt versteckt.
- Kein Produkt kommt ohne ECO-Preisschild davon.
Das ist nicht nur kleinteilig und transparent, sondern auch manipulationssicher.
Einfluss auf die Industrie
Um Wettbewerbsfähig zu bleiben muss die Industrie ihre Wertschöpfung transformieren und ECO-günstig produzieren, sonst werden die eigenen Produkte zu Ladenhütern. Das ECO-Modell fördert eine intrinsische Motivation Prozesse klimafreundlich zu machen. Nicht aus Ideologie, nicht aus Liebe zur Umwelt, sondern aus dem einzigen Grund, der in der Wirtschaft zählt: Das Business wird sonst unrentabel, und zwar für sie selbst.
Soziale Aspekte
Heute zahlen ärmere Haushalte für klimapolitische Maßnahmen proportional auf ihr Einkommen gesehen mehr als Reiche. Der ECO dreht das Prinzip um:
- Wer wenig verbraucht, kann ECO verkaufen -> zusätzliches Einkommen -> Überwindung sozialer Ungleichheit.
- Wer viel verbraucht, muss zahlen -> das Verursacherprinzip wird konsequent umgesetzt.
- Das ECO-Modell kommt ohne zusätzliche ordnungsrechtliche Verteuerungen aus, im Vergleich zu CO2-Steuern & EU-ETS
Ärmere Haushalte können ECO verkaufen, reiche Vielverbraucher müssen zahlen. Damit passiert etwas historisch Einmaliges: Klimapolitik, die nicht die Falschen trifft. Zum ersten Mal zahlt derjenige überproportional, der die Atmosphäre mehr verschmutzt – und nicht derjenige, der weniger Einkommen hat. Kurz: Wohlstandsgefälle runter. Transparenz rauf. Emissionen runter.
Das Ergebnis
Eine sozialverträgliche und politisch anschlussfähige Klimapolitik:
- Systemisches Emissionsmanagement. Governance-Design jenseits politischer Kurzfristlogik. Emergenz als Steuerungsmechanismus.
- Marktbasierte Flexibilität & Wahlfreiheit. Das ECO-Modell setzt die ökologischen Leitplanken, innerhalb derer sich jeder frei bewegen kann.
- Industrie transformiert sich automatisch, weil sie ECO sparen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben oder zu werden.
- Innovation entsteht durch Marktlogik statt Verordnungschaos.
- Klimaschutzziele werden punktgenau eingehalten, weil das Gesamtbudget fix ist.
- Konsum wird klimafreundlich – ohne moralischen Zeigefinger, sondern weil’s einfach rational ist für alle Marktteilnehmer.
Das Ganze ist:
✔ marktwirtschaftlich
✔ global skalierbar
✔ bürokratiearm
✔ gerecht
✔ sofort wirksam
Kurz: Es ist das, was CO2-Steuern und ETS gerne wären, aber nie sein werden.
Und warum haben wir das noch nicht?
- Weil unser heutiges System Politik, Industrie und Konsum völlig falsch koppelt.
- Weil Macht und Wiederwahl wichtiger sind als Physik und Logik.
- Weil wir lieber über Wärmepumpen und „Verbrenner-Aus“ streiten, als über das einzige Instrument diskutieren, das den Klimakollaps garantiert verhindern kann.
Fazit:
Das ECO-Modell ist keine Vision. Es ist ein fertiges System, das nur darauf wartet, eingeführt zu werden.
Wir brauchen nicht mehr Moral. Wir brauchen nicht mehr Appelle. Wir brauchen ein System, das jeden einzelnen Bürger mit seinen tagtäglichen Konsumentscheidungen zum maßgeblichen Teil der Lösung macht, und dabei den Menschen dennoch ein Maximum an persönlicher Konsumentscheidungsfreiheit lässt.
Und dieses System existiert: Die Ressourcenwährung ECO macht Emissionen transparent, verteilt sie gerecht, funktioniert marktwirtschaftlich und ist dazu in der Lage, ein vereinbartes Minderungsziel zuverlässig einzuhalten.
Und wenn wir’s nicht nutzen, dann war Klimaschutz nie unser Ziel – sondern nur unsere Ausrede.
„Wer will,
dass die Welt so bleibt,
wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt.“
- Erich Fried
Die Politik bremst – wir von SaveClimate.Earth machen weiter.
Dies ist ein Beitrag des Blogs ECOlogisch der Klimaschutz NPO Saveclimate.Earth - Organisation für nachhaltige Ökonomie.
Text: Jens Hanson, Angela Hanson